Die jüdische Gemeinde in Heinebach

1678 - erste urkundliche Erwähnung eines "Schutzjuden" in Heinebach, namens "Jöstchen"

1687 - 2 Juden aus Heinebach müssen an die Kirche Strafgeld zahlen, weil sie an einem Bettag Hochzeit feierten und an einem Sonntagabend Wein gekauft hatten.

1693 - Die Frau des Juden Itzig muss Strafe an die Kirchenkasse bezahlen, weil sie an einem Sonntag Wasser getragen hat.

1714 - Das Kirchenbuch berichtet, dass am 25. März 1714 Johann Christoffel Berndt - ein getaufter Jude - einen Sohn hat taufen lassen.

1729 - Die Kirche wechselt fremde Münzen aus der Kollekte bei dem Heinebacher Schutzjuden Susmann Isaak.

1731 - Dem Juden Susmann Isaak wird ein Drittel des Schutzgeldes erlassen, weil er sonst seine achtköpfige Familie nicht ernähren kann.

1756 - leben zur Zeit des Siebenjährigen Krieges drei jüdische Familien in Heinebach. Neben dem bereits erwähnten Susmann Isaak waren es noch Meyer Susmann und Levi Isaak.

1766 - berichtet die Spezialvorbeschreibung der Dorfschaft Heinebach, dass es damals 3 jüdiche Familien gab, und zwar einen Geschirr-Krämer und 2 Handelsjuden. Zwei von Ihnen besassen damals schon ein eigenes Haus. Es handelt sich um das jetzige Haus "Im Hof 10" und ein weiteres, inzwischen abgerissenes Haus Nr. 41.

1773 - berichten die Kirchenbücher, dass der Sohn des Meyer Levi an einem Bettag vor dem Gottesdienst Birnen im Feld geholt habe.

1775 - berichten die Protokolle, dass der Jude Meyer Susmann mit anderen Heinebacher Bürgern an einem Bettag die Wiese des Kirchenältesten Johannes Berndt ausgehütet hat.

1795 - musste die Gemeindekasse zur Erbauung des Kirchturmes ein Kapital von 150 Talern aufnehmen. In diesem Zusammenhang wird erwähnt, dass der Jude David Katz ein Schutzgeld von 200 Talern gezahlt hat, wovon er wohl 100 Taler der Gemeinde gespendet hat.

1800 - Die jüdische Gemeinde Heinebach ist so angewachsen, dass sie einen eigenen Vorsänger in der Person des Benjamin Jaffa aus Baumbach hatte, dem sein Sohn Aron Jaffa nachfolgte, der hier bis 1866 den jüdischen Kindern Religionsunterricht erteilte. Auch David Oppenheim (vor 1863) und Abraham Speyer (vor 1881) werden in dieser Zeit als jüdischer Religionslehrer genannt.

1807 - Die Verfassung des Königreichs Westfalen unter Hieronymus Bonaparte macht die Juden zu gleichberechtigten Staatsbürgern. Als der Kurfürst 1813 wieder nach Kassel zurückkehrte, blieb es dabei.

1814 - als die Kosaken Heinebach besetzten, richteten sie ihr Magazin im Haus des Juden Leib Meyer Kaiser ein.

1816 - Durch Verordnung vom 14. Februar 1816 erlangen die Juden die gleichen Rechte und Pflichten wie die christlichen Untertanen, damit auch das Recht, Land zu erwerben. Auch wurde es die Regel, Familiennamen einzuführen. Die Chronik berichtet von den Familiennamen Jaffa, Kaiser und Katz. Vorher hiessen die Söhne nach dem Vornamen des Vaters. So hatte der Sohn des Levi Isaak den Namen Meyer Levi. Sein Sohn war der Leib Meyer, der sich schon 1795 Leib Meyer Kaiser nannte. Durch eine zweite Verordnung vom 12. Januar 1818 wurde das sogenannte Judenschutzgeld aufgehoben.

1825 - sind 6 jüdische Familien in Heinebach ansässig.

1836 - wurde Aron Jaffa provisorisch auf weitere fünf Jahre als jüdischer Religionslehrer bestellt. Seinen Unterricht hatten die Vorsteher der Israeliten in der Provinz Niederhessen geprüft: unter anderem: Mansbach, Goldschmidt, Alsberg, Rothschild und der Landesrabbiner Romann.

1839 - stellt Samuel Kaiser einen Platz in seinem Garten für den Bau einer Synagoge zur Verfügung. Dieses Bauvorhaben scheiterte aber an dem Einspruch des Ortspfarres. Das Grundstück war zu dicht an der Kirche.

1842 rügte Kreisrabbiner Wetzlar aus Gudensberg Aron Jaffa, indem er ihn anhielt, sich eines besseren Deutsch zu befleißigen. Jaffa unterrichtete die Kinder in seiner Wohnung. Gemeindeältester war damals Juda Heilbrunn. Juda Heilbrunn wird beauftragt, das Haus des Ackermannes Nikolaus Wendel aufzukaufen.

1843 - wird der Bauernhof zu einer Synagoge umgebaut. Das Gebäude in der Eisfeldstrasse 2 steht heute noch. Im Gebäue selbst erinnert nur noch die Deckenbemalung an die Synagoge.

 

1844 - leben 7 jüdische Familien in Heinebach 1853 - werden 11 jüdische Familien mit 61 Personen erwähnt.

1865 - am 27 Oktober 1865 in Heinebach wurde Salli Katzenstein geboren. Seine Eltern waren Baruch Katzenstein,

geb am 29. März 1830 in Heinebach und Jenni Wolff, geb am 8 Oktober 1833 in Nesselröden. Die beiden haben in Heinebach am 18 November 1857 geheiratet. Baruch Katzensteins Eltern waren Kappel Katzenstein (1785 - 1871) und Beuer Katz, Tochter von David Katz aus Heinebach. Beuer und Kappel Katzenstein hatten eine Familie mit 10 Kindern in Heinebach. Katzenstein studierte 1888 in einer Malklasse der Düsseldorfer Akademie unter Leitung von Prof. Drücker Landschaftsmalerei. Er heiratete 1894 Franziska Achenbach in Westerland auf der Insel Sylt.

Sally Katzenstein / Franz Korwan

Seinem Einsatz ist es im Wesentlichen zu Verdanken, dass Westerland 1905 die Stadtrechte erhielt. 1908 trat er zum evangelischen Glauben über. 1913 gestaltete er die Ausmalung der St. Severin-Kirche in Keitum / Sylt. 1920 wurde er von seiner Frau geschieden. 1924 erfolgte eine ministeriell genehmigte Namensänderung auf den Namen Franz Korwan. 1937 verließ er die Insel Sylt und wurde 1940 von Baden-Baden aus in das französiche Lager NOE deportiert. 1942 verstirbt er dort.

1870 - 1871 26 Heinebacher Soldaten nehmen am Feldzug gegen Frankreich teil. Unter Ihnen auch die jüdischen Mitbürger Joseph Sommer I, Joseph Sommer II und Moses Sommer.

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Festordnung zum Feldzugjubiläum 1896 in Kassel

1861 - Die 61 Israeliten trieben sämtliche Handel, "vornehmlich Nothandel", eine Familie unter ihnen auch etwas Ackerbau. Den Judenkindern erteilte zwar der Synagogenvorsänger auch Unterricht, und zwar im Hebräischen und in der Religion, da er kein geprüfter und ordentlich bestellter Lehrer war, mussten die jüdischen Kinder bis 1866 die christliche Schule besuchen.

1864 - wurden in Heinebach 76 jüdische Einwohner gezählt.

1866 - beantragt die jüdische Gemeinde nach dem Vorbild anderer Gemeinden eine eigene Schule - einklassig - in Heinebach. Die Kinderzahl belief sich auf 11 Jungen und 13 Mädchen. Nachfolger seines Vaters als Lehrer wurde 1866 Abraham Nathan Jaffa. Schullokal und Heizung stellte die Synagogengemeinde. Den Anstellungsvertrag unterzeichneten der Gemeindeälteste S. Katzenstein und Kreisvorsteher Kaufmann.

1872 - bis 1879 hatten die Kinder einen neuen Lehrer, Abraham Speier, der 1851 in Heinebach geboren wurde.

1880 - gehen 12 jüdische Kinder zur Schule, in der Abraham Speier bis 1912 unterrichtet.

1907 - war die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder auf 56 zurückgegangen, weil einige Familien weggezogen waren. Auf diesem Stand hat sich die jüdische Gemeinde bis zu ihrer gewaltsamen Auflösung gehalten.

1912 - am 1 Oktober wird die jüdische Schule aufgelöst. Den Unterricht in Hebräisch und Religion erteilt der Lehrer Stiefel aus Baumbach.

1916 - Julius Friedrich Kaiser, jüdischer Heinebacher Soldat, wird im 1. Weltkrieg am 24.9.1916 als vermisst gemeldet.

1921 - wieder einmal ist eine neue Lieferung guter Pferde bei Pferdehändler Katz eingetroffen. Er informiert seine Kunden durch die Presse.

 

 

 

 

 

 

 

Rotenburger Nachrichten vom 23. September 1921

1931 - Am 26. Januar brennt die Abrams Scheune (Abraham Sommer). Chronist Harri Claus berichtet darüber.

1938 - Die Synagoge wird von Nationalsozialisten gestürmt. - eine Thorarolle aus der Synagoge konnte dem letzten Vorsteher der israelitischen Kulturgemeinde, dem Kaufmann James Juda Heilbrunn, nach dem 2. Weltkrieg nachgesandt werden. Er hat sie seiner Gemeinde in New York zur Erinnerung an sein Heimatdorf überreicht.

1933-45 Im Dritten Reich ermordert wurden:

1. Pferdehändler Isidor Katz und Ehefrau Frieda, und Tochter Gretchen
ins Ghetto Minsk deportiert und dort umgekommen,
Gretchen Katz

2. Viehhändler Jonas Wallach und Ehefrau Frieda, in den Osten deportiert,

3. Viehhändler Abraham Sommer II. und seine Töchter Else und Irma 1941 in den Osten deportiert,

4. Minna Sommer, Witwe von Salomon Sommer, nach Theresienstadt deportiert

5. Viehhändler Julius Sommer und Frau Lina, sowie Tochter Liesel, in Auschwitz umgekommen,

6. Viehhändler Julius Wallach und Frau Goldine, sowie Tochter Marga, 1941 im KZ Riga umgekommen,

7. Viehhändler Leopold Wallach und Ehefrau Gerdi, sowie Tochter Liesel, 1941 im KZ Riga umgekommen.

1954 - wird beim Abbruch des sogenannten Coppelschen Hauses an der Nürnberger Strasse eine zweite Thorarolle gefunden.

1981 - Eine Reisegruppe aus Heinebach unter der Leitung von Pfarrer Pontow trifft in Haifa (Israel) mit zwei gebürtigen Heinebacher Juden zusammen. Isi Wallach und Eli Leichentritt, die 1935 nach Palästina emigrierten.

2000 - Herbert "Herby" Kaiser, Sohn des 1902 in Heinebach geborenen Viktor Kaiser besucht Heinebach.

2007 - Nathan Katz Burstein, Urenkel von Pferdehändler Isodor Katz besucht die Heimat seiner Vorfahren und trift sich mit Zeitzeugen, die seine Urgroßeltern und seinen noch in New York lebenden Großvater Sally (geb.05.01.1914) und dessen Geschwister gekannt haben. Er berichtet, dass auch die jüngste Schwester seines Großvaters, Gretchen Katz, mit den Eltern umgekommen ist. Sein Großvater konnte mit seinen Brüdern Siefried und Martin und ihrer Schwester Nelli entkommen. Anlässlich dieses Besuchs haben wir auch 2 Fotos erhalten, die wir den Besuchern unserer Website nicht vorenthalten möchten:

Heinebacher Schulklasse mit 2 jüdischen Kindern
(um den Jahrgang 1928)

 

Turn- und Sportverein Heinebach 1914
(Aufnahme aus 1926)
Nelli Katz sitzt in der ersten Reihe zwischen Ilse Botte (geb. Feustel) und Martha Wiegand

Der Kontakt zu Nathan K. Burstein hat dazu geführt, dass wir wieder etwas mehr über das Schicksal Heinebacher Juden und ihren weiteren Lebensweg erfahren konnten. Es wäre schön, wenn dieser Begegnung weitere folgen und wir mehr erfahren können was aus ihnen geworden ist.

In den nächsten Jahren ist an die Errichtung einer Gedenkstätte für die Heinebacher Juden gedacht. Die Israelische Künstlerin Lisa Kaftori, die Heinebach in Rahmen des Internationalen Naturkunstforums besucht hat, hat sich bereit erklärt an der Gestatlung mitzuarbeiten.

 

Weitere Informationen zum jüdischen Leben unserer Region und zu Franz Korwan finden Sie auf der Website www.ag-spurensuche.de