Was die Sage raunt:

Herzblumenplatz

Seit je ging die Sage im Volksmund,
vom wildwüt‘gen Jäger im Waidesgrund.
Er liebt‘ nicht die Menschen, er ehrte nicht Gott,
er kannte kein Mitleid, sein Gruß war nur Spott.
So trieb‘s einst Herr Wolfhart vom Katzenstirnschloß,
den sah man nur reiten in wüstestem Troß.
Er fürcht‘t keinen Donner, er scheut keinen Blitz;
er warf jeden Gegner voll Hohn aus dem Sitz.
Zum Volk war er grausam, mit Worten stets rauh,
ihm frommt nur der Pirschgang auf Hirsch und auf Sau.
—Einst kam er zu jagen im Geidelbachswald,
die Hunde, sie kläffen, sein Hifthorn erschallt.
So rast er besessen durchs ganze Revier,
entsetzt flieht ins Dickicht das arme Getier. —

Seitab still am Hange, wo Blaubeer‘n man find‘t,
ein Maidlein gar hold, doch an Jahren noch Kind,
pflückt emsig hier Beeren und achtet nicht drauf,
wie Wolfharts Jagd nahte in tosendem Lauf.
Gertraude — so hieß sie — erschrickt fast zu Tod‘,
will schnell noch entfliehen in angstvoller Not,
da hat schon der Junker das Mägdlein erspäht,
und Gier nach der Beute die Sinne ihm bläht.
Er gibt hart die Sporen und jagt hinterdrein,
am Kreuzweg, am Eichbaum, da holt er sie ein.
Bös‘ lacht er und beut ihr hohnlachenden Gruß,
erstarrt steht die Arme, es versagt ihr der Fuß.
Frech schlingt ihr der Wüste den Arm um den Leib,
ihn rührt nicht die Unschuld, er sieht nur das Weib.
Voll Angst wirft Gertraude sich weinend aufs Knie:
,,Verschont mein, Herr Ritter!“ so fleht zitternd sie,
,,Und kann Euch nicht rühren eines Mägdeleins Not,
so tut‘s um die Mutter, die lang mir schon tot!“
Da schreckt ab der Kühne, läßt fahren das Wild,
doch tief brennt ins Herz ihm das holdliebe Bild.
,,So will ich mich zähmen, bis du mir geneigt,
nicht wag‘ zu entfliehn mir, mein Arm dich erreicht!
Nie werd‘ ich dich lassen, du mußt mein noch werden,
kein andrer darf je dich besitzen auf Erden!“


Verstört hört‘s Gertraude und hetzt heim zurück,
berichtet‘s dem Vater, das Grau‘n noch im Blick.
Der Vater vernimmt es, ballt grimmig die Faust:
,,Das war Junker VVolfhart, der gottlos dort haust!
So hüt‘ dich, mein Kind, gut, und wahr‘ jeden Schritt,
und setz‘ in des Junkers Wald nie deinen Tritt!
Und bin ich auch Schulze in Heinebachs Mark,
so fragt doch der Ritter nach Recht einen Quark.
Die List nur allein gibt uns rettenden Rat,
bewahret das Haus mir vor ruchloser Tat.“


So gingen drei Jahre in Frieden dahin,
längst schlug sich das Mädchen die Angst aus dem Sinn.
Sie liebt einen Burschen und ward seine Braut,
ein schöneres Paar hatt‘ man nirgends erschaut.
Gar minniglich wandeln sie oft durch die Flur,
drei Monde sie trennen vom Traualtar nur.
Ein herrlicher Maitag verlockt sie zum Tann,
sie steigen den Triftweg zur Heide hinan.
Wie wehte der Maiwind so schmeichelnd weich!
Wie sangen die Vögel so süß im Gezweig!
Die Liebenden schreiten und fragen nicht wo,
sie fühlen ihr Glück nur und sind heut‘ so froh.
Schon hat sie der lichtgrüne Laubwald umfangen,
sie sind wie im Traume den Pirschweg gegangen.
Und dort, wo am Kreuzweg die Eiche sich reckt,
da haben sie wegmüd‘ ins Gras sich gestreckt.
Sie plaudern und scherzen und Summen ein Lied,
und rings blühn die Blumen, wohin man auch sieht.
Gertraude flicht Kränzlein — das tat sie so gern —,
dann fragt sie das Schicksal, zupft Blättchen vom Stern.


Doch wie sie auch fragte — war das denn noch Scherz? —:
Es traf stets beim letzten die Worte ,,mit Schmerz
Sie sehen‘s mit Staunen, mit Schrecken dann,
da tritt aus dem Dunkel ein düsterer Mann:
Verzerrt sind die Züge, die Stirne kraust Wut,
die Augen, sie flammen in höllischer Glut:
,,So find‘ ich dich, Falsche, als Buhlerin,
mein bist du, so wahr ich Wolfhart bin!“
Er will sie roh packen, wie einst umfassen:
,,Und willst mich nicht lieben, so magst du mich hassen!“
Voll Zorn springt der Jüngling ihm an die Kehle:
Noch lebt ich und wehr‘ dir‘s, du teuflische Seele !
Doch schnell zückt der Junker, sein Dolch tödlich blitzt,
und tief in des Treuesten Herzen er sitzt.
Aufschreiend Gertraude den Liebsten umschloß,
da traf auch ihr Hetze der meuchelnde Stoß.
Im Sterben umschlungen, hinsanken sie beide,
so endet‘ ihr Lieben in bitterem Leide.


Ihr Herzblut rotfärbte die Blümelein all.
Mit Schaudern vernahm man die Kunde im Tal.
Sie kamen und sahen das graus‘ge Geschehn,
nie hat man mehr Weinens und Klagens gesehn.
Den ruhlosen Mörder ereilt‘,sein Geschick,
er brach auf der Jagd kurz darauf das Genick.


Sein Schloß ist zerfallen, die Stätte verwaist,
den einsamen Gipfel der Habicht umkreist.
Das Brautpaar ruht friedvoll in waldiger Gruft,
sein‘ Hügel umweht vieler Waldblumen Duft.
Viel röter hier blühn sie als sonstwo im Hain,
drum ,,Herzblümchen“ heißen die Sternäugelein
Der Eichbaum am Kreuzweg voll Leide verdorrt;
doch raunt‘ er die Sage im Sterben noch fort.
Die Buchen nun wispern dem Wandrer sie zu
und mahnen: 0 stört nicht der Liebenden Ruh
Der stillschöne Waldplan, wo man sie einst fand,
ward ,,Herzblumenplatz“ im Volk nun genannt.


H. Steinbach

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